· 

Ein letztes Mal tanken

Nächsten Freitag wird mein Auto abgeholt. Ich habe es verkauft. Ich freue mich riesig auf die Zeit ohne Auto - und vermisse es jetzt schon. Von den Pros und Cons des Autobesitzens.

 

Ich habe noch nie Autos gemocht. Sie sind laut, stinken, zerstören Klima und Umwelt und sind noch dazu eine tödliche Gefahr für alles, was sich auf und an Straßen aufhält, von Insekten, Fröschen, Vögeln bis leider auch immer wieder Menschen.  Außerdem nehmen Autos unglaublich viel Platz ein, der sehr viel naturfreundlicher gestaltet werden könnte; und sie erfordern den Abbau, Transport und Bearbeitung von riesigen Mengen Material; benötigen daher allein zur Herstellung große Mengen an Energie; ganz zu schweigen von der Energie, die man zum Fahren benötigt. Autos sind also im Grunde vor allem Tonnen von Blech die Natur, Klima und am Ende uns selbst schaden und unsere Mitwelt zerstören und "verhässlichen".

 

Und doch: Autos sind eine fantastische Erfindung der Menschheit. Sie geben Freiheit, sich überall hin bewegen zu können, wohin man gerade will. Sie erlauben einem, Dinge zu transportieren, die man selbst nicht schleppen kann. Sie geben die Möglichkeit, Hund, Kind und Mann ins Auto zu packen und einfach loszufahren, ohne Angst zu haben, jemanden während der Fahrt zu verlieren. Sie halten einen warm und trocken, wenn man trotz schlechtem Wetter los muss. Sie ermöglichen einem, dahin zu fahren, wohin nicht ganz so viele Urlauber gelangen. Sie erleichtern einem späte Unternehmungen, wenn der letzte Zug nicht mehr fährt. Und wenn der Zug ausfällt, dann ist das Auto oft die einzige Alternative (und natürlich gibt es in manchen Dörfern gar kein akzeptables ÖPNV, so dass man dort im Moment nicht ohne Auto auskommt).

 

Ich habe wegen all dieser Vorteile nun 20 Jahre lang ein Auto besessen. Und ich habe mich sehr an diese Vorteile gewöhnt. Daher muss ich zugeben - es fällt mir schwer, loszulassen. Ich bin noch dazu eine der seltsamen Menschen, die eine Art persönlichen Bezug zum Auto aufbauen; obwohl ich Autos im Allgemeinen nicht mag - mein Auto mag ich.

 

Dennoch: Freitag ist es vorbei. Da beginnt ein Leben ohne eigenes Auto. Und ich freue mich riesig darauf!

 

Warum mache ich das? Hier sind meine Gründe für meine Entscheidung:

  1. Ich spare viel Geld (Versicherung, potentielle Reparaturen, Benzin), welches ich nun in ein richtig gutes Fahrrad stecken kann.
  2. Ich bin frei! Die Freiheit einer Autofahrerin ist nämlich im Grunde ziemlich beschränkt. Klar kann ich mich zu jeder Tages- und Nachtzeit ins Auto setzen - aber kommt man auch an? Wie viele klagen über Staus! Und da sitzt, schmort oder friert man dann in einem kleinen Stückchen Blech und kann noch nicht einmal einschlafen oder ein Buch lesen wie im Zug.
  3. Ausflüge ohne Auto sind sehr viel spannender und flexibler, da ich nicht mehr dort landen muss, wo das Auto steht.
  4. Kein Auto haben bedeutet auch: Manche Termine einfach nicht wahrnehmen können. Das entstresst und hilft, klare Prioritäten zu setzen. Und wenn etwas sehr wichtig ist und ich dafür dringend ein Auto brauche, dann leihe ich mir eins über  Car-sharing aus.
  5. Ich bewege mich mehr und tue dadurch auch etwas für meine Gesundheit - statt für viel Geld in ein "Workout-Center" zu fahren. Statt sich stationär abzuspinnen, denk ich mir: "Ihr spinnt - ich radle lieber" ;)
  6. Und last but not least steht natürlich sehr klar der Natur- und Klimaschutz im Vordergrund meiner Entscheidung. Sich für Klimschutz einsetzen, gegen die fossile Industrie wettern, aber selbst immer wieder den Zapfhahn ins Auto stecken - das ist ein Widerspruch mit dem ich nicht mehr leben will. Klare Linien - das befreit mehr als dass sie einengen.

Sicherlich gibt es Ausnahmen, die ein Auto benötigen - Feuerwehrmänner, Hebammen, Bauern, Menschen, die abgelegen wohnen oder körperlich behindert sind. Und sicherlich wird es Momente geben, an denen ich wünschte, ein Auto vor der Haustür zu haben. Aber meistens brauche ich kein eigenes Auto -  geauso wenig wie die meisten anderen Menschen. Das Problem ist nur, dass wir uns so sehr an ein eigenes Auto gewöhnt haben, dass wir unwillens und fast unfähig sind, uns ein Leben ohne Auto auch nur vorstellen zu wollen. Aber was macht das denn aus uns? Einen Homo Automobil-Lobby-Dependicus?!

Kommentar schreiben

Kommentare: 5
  • #1

    Gabriele Übler (Sonntag, 15 Dezember 2019 08:16)

    liebe Maiken,
    ich gratuliere Dir von Herzen - ich kann mich auch noch an den Abschied vor ca. 10 Jahre erinnern und dennoch fühlen Dietmar und ich uns seither ganz so wie Du es beschreibst: frei die Art der Fortbewegung zu wählen, die passend ist zum Zweck der Fahrt, zur Länge des Wegs, ggf. auch zur Witterung. Aber das Freiheitsgefühl mit Auto ist genau so ein Gewohnheitsding (um nicht zu sagen Sucht-Ding) wie Rauchen oder Süßigkeiten oder .... mit Abstand betrachtet, wundert man sich.

    ganz liebe Grüße von nebenan und denk dran: Carsharing ist eine gute Alternative, die Du hier in Dießen haben kannst.

    Gabriele

  • #2

    Maiken Winter (Sonntag, 15 Dezember 2019 09:30)

    Dank Dir, liebe Gabriele,
    ja, es ist wohl eine Art Sucht. Davon kann man sich langsam und behutsam befreien - aber das ist schwer, wenn das Auto direkt vor der Tür steht. Dann fährt man eben doch mal kurz, weil es soo viel einfacher ist...da ist es leichter, die Wahlmöglichkeit abzuschaffen. Ich freu mich sehr drauf. Ja, und wenn ich das Geld vom Verkauf habe, dann werde ich sicherlich Mitglied bei eurem car-sharing. Die Distanz ist gut - denn da werde ich sicherlich nur dann ein Auto mieten, wenn es wirklich notwendig ist.
    Schönen 3. Advent!
    Maiken

  • #3

    Claudius Bartsch (Sonntag, 15 Dezember 2019 10:35)

    Liebe Maiken,
    auch ich gratuliere dir zu diesem Schritt des Loslassens, einem starken persönlichen Energie-Schub "von der Nadel" wegzukommen. Anni und ich sind auch nicht mehr weit davon entfernt, das Auto abzuschaffen. Auf langen Strecken sind wir fast eh nur mit dem Zug unterwegs. Trotz bergigem Lüdenscheid habe ich ein "analoges" Fahrrad mit Lastenanhänger. Es funktioniert Vieles sehr gut... Man muss und man kann sich umstellen. Wir schaffen diesen "Entzug", befreien uns vom "Kosum-burn-out" und ernten sogar ein "viel mehr"!

    Herzliche Grüße
    Claudius mit Anni

  • #4

    Heiko Bruns, autofrei leben! (Dienstag, 17 Dezember 2019 06:47)

    Viel Erfolg!

    Wir empfehlen da unseren Ratgeber "Besser leben ohne Auto" - obwohl viele Vorteil kennen Sie ja schon.
    https://www.oekom.de/buch/besser-leben-ohne-auto-9783962380175

    Viele Grüße
    Heiko Bruns

  • #5

    Michael (Dienstag, 17 Dezember 2019 08:39)

    Falls Sie ein Fahrrad als Ersatz nutzen möchten, empfehle ich https://dasfahrradblog.blogspot.com/2017/07/die-uneingeschrankte-macht-der-strae.html zu lesen. Ich denke, damit könnte man Lernkurve hinsichtlich Autofahrer Verhalten gegenüber Radlern deutlich verkürzen.