Offener Brief an Herrn Dobrindt

Wohin soll der Weg gehen? (c) Maiken Winter
Wohin soll der Weg gehen? (c) Maiken Winter

 

Sehr geehrter Herr Dobrindt,
 
in den letzten Jahren hatte ich mehrmals die Ehre, mit Ihnen persönlich zu sprechen. Mein Thema: die Klimakrise und insbesondere die klimatischen Kipp-Punkte. Sie erschienen mir aufgeschlossen, beindruckt, ja sogar ein wenig besorgt. Ich hatte das Gefühl, meine Botschaft wäre angekommen. Aber leider ist das nicht der Fall. War ich etwa nicht klar genug, nicht eindringlich genug? Oder haben Sie nur geduldig zugehört und sich Ihren Teil gedacht?
 
Ihre Reaktion auf die engagierten Menschen der "Letzten Generation" lässt mich befürchten, dass Sie die Dringlichkeit nach wie vor nicht verstehen oder verstehen wollen. Statt Verkehrspolitik grundsätzlich umzudenken, vertreten Sie das „Weiter so!“ Statt den Aktivisten zuzuhören und wirklich verstehen zu wollen, kriminalisieren sie diese Menschen.
 
Sie sagten, Proteste sollten sich im legalen Rahmen halten – aber was haben diese Proteste gebracht? Die Vielzahl an Aktionen, die bisher durchgeführt wurden, haben nicht die erhoffte Wirkung gezeigt – das notwendige und sofortige Umlenken.
Friedlicher Widerstand ist ein Mittel, das schon mehrmals in der Geschichte sehr hilfreich war, um dringend notwendige Änderungen voranzutreiben.Und dieser ist nun notwendig.
 
Dass Sie die Aktivisten, die sich für unser Überleben einsetzen, mit Terroristen der RAF vergleichen, zeigt, dass Sie weiterhin die Dringlichkeit effektiven Klimaschutzes ignorieren.
 
Zum Glück verstehen inzwischen einige Richter, dass die Aktivisten nicht verwerflich handeln, sondern in berechtigter Weise auf den Klima-Notstand hinweisen. Irgendwann werden auch Sie das verstehen. Aber dann wird es zu spät sein.
 
Sie behaupten, Klimaaktivisten nehmen billigend die Gefährdung von Menschenleben in Kauf. Das ist schlicht nicht wahr. Es geht den Aktivisten ja gerade um den Erhalt der Menschenleben auf der ganzen Welt. Wenn durch einen schrecklichen Unfall eine Radlerin stirbt, dann ist das vor allem entsetzlich. Genauso entsetzlich wie alle tödlichen Verkehrsunfälle. Bei keinem dieser Unfälle habe ich je einen Aufschrei der Presse und Politiker gehört, dass die Autofahrer, die ja Staus mit verursachen, am Tod eines Menschen verantwortlich wären.
 
Man darf ein tragisches Unglück nicht für seine eigenen Zwecke instrumentalisieren. Und genau das tun Sie, Herr Dobrindt.
 
Was mich betrifft: Ich werde die friedlichen Aktionen der letzten Generation weiter unterstützen.
 
Übrigens, Ihre Rede von einer „Klima-RAF“ ist nichts anderes als Hetze. Damit haben Sie gute Chancen, ein zweites Mal mit dem „Unwort des Jahres“ geehrt zu werden.
 
Mit freundlichem Gruß,
 
Dr. Maiken Winter
Kreisrätin in Weilheim-Schongau und Gemeinderätin in Raisting

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Dietrich Schwägerl (Montag, 14 November 2022 13:18)

    Schon klar, Herr Dobrindt & Kollegen:
    Die Zerstörung der Lebensgrundlagen auf unserer guten Erde ist OK, solange sie sich im legalen Rahmen vollzieht.

  • #2

    Heinrich Romeis (Dienstag, 15 November 2022 09:02)

    Dem muss ich nichts mehr hinzufügen. Perfekt formuliert. aber ich habe von Herrn Dobrindt nichts anderes erwartet. Man sperrt ja auch in Bayern Klimaaktivisten 30 Tage ohne Gerichtsurteil ein und regt sich gleichzeitig über Erdogan auf. Sind halt profilneurotische Politiker mit kurzzeitigem Legislatur Denken.

  • #3

    Thefashionlog.com (Donnerstag, 04 Mai 2023 12:36)

    Vielen Dank, dass Sie sich in Ihrem offenen Brief an Herrn Dobrindt zu Wort melden und wichtige Themen ansprechen. Ihre Worte sind kraftvoll und lenken die Aufmerksamkeit auf notwendige Veränderungen.